Startseite   |   Impressum   |   Datenschutz    



 

Wortbrücke zum 3. Advent - 11. Dezember 2022

„Gaudete“

So ist der 3. Adventsonntag überschrieben. "Freut euch! … denn der Herr ist nahe" (Phil 4). Die Adventszeit hat „Bergfest“. Wir gehen auf Weihnachten zu. Wir erwarten ein Kind – das Wagnis der Verwundbarkeit.

Dieses „Freut euch!“ am 3. Advent ist nicht zu vergleichen mit dem, was wir heute mit den Worten „Spaß haben“ zum Ausdruck bringen. Es geht nicht um Kurzweil oder um „Mordsgaudi“. Der Apostel Paulus schreibt diese Worte der Freude aus dem Gefängnis! Diese haltgebende Freude, von der in der Bibel zu hören ist, wird oft von Menschen empfunden, die tief in Lebenssituationen von Not und Verzweiflung stecken.

Die Skulptur "Der Bettler" von Ernst Barlach kann uns einen Zugang erschließen, wie Gott uns in Jesus Christus nahe ist und bleibt und zum Grund unserer Freude werden kann.
Zur Trauerfeier Barlachs im Atelier in Güstrow wurde im Oktober 1938 ein Abguss des Bettlers neben dem offenen Sarg aufgestellt. Die Bettlerfigur gilt als ein Lieblingsmotiv Ernst Barlachs. Die Inspirationen zu seinen Figuren erhielt er auf einer Reise durch die ukrainisch-russische Steppenlandschaft, nach Charkiw, Belgorod und Bachmut. Orte, die aktuell mit ihren Kriegstragödien, mit Leid und Tod, zu trauriger Berühmtheit gelangt sind.

Die Begegnung mit Menschen dieser Region erzeugt bei Barlach starke Resonanz, ist für ihn eine „Offenbarung“ und bedeutet einen fundamentalen ästhetischen und thematischen Neubeginn seines Schaffens. Seit dieser persönlich-bedeutsamen Reise (1906), zeigt er in seinen Figuren das auf, was ihn innerlich bewegt: Die Verlorenheit des Menschen zwischen Himmel und Erde, seine seelische Blöße und Verletzlichkeit, Leid und Verzweiflung, Einsamkeit und Tod, Hoffnung und Sehnsucht nach Erlösung.

Der Bettler, befindet sich an der Grenze der menschlichen Existenz. Er lebt nicht aus sich selbst heraus, sondern aus dem, was er empfängt. Er ist angewiesen und verletzlich. Der Bettler zeigt den Menschen in seinem Elend und, indem Christus selbst dieselbe Erniedrigung wählt, den Menschen zugleich in seiner unverlierbaren Würde. So begegnet uns im Bettler sowohl der wahre Mensch wie auch der wahre Gott. Das „richtet Euch auf, Gott sieht die Bedrängnis und hört das Klagen“ vom 2. Advent, wird am 3. Advent gewandelt in ein „Freuet Euch! Denn der Herr ist nahe.“

Thomas Lösche, Religionspädagoge