
Foto: G. Demmel
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Wortbrücke der ev. Domgemeinde zu Magdeburg – Sonntag Kantate – 18. Mai 2025
Jede Stimme zählt.
„Es wolle Gott uns gnädig sein und seinen Segen geben…“ Dieser Luther-Choral führte im Mai 1524 zu Tumulten und Verhaftungen auf dem Alten Markt in Magdeburg. Die Reformation war eine „Singbewegung“ und einige unserer heutigen Choräle im Gottesdienst waren einst Protesthymnen der Reformationszeit. In der DDR wurden z.B. Wolf Biermann und Bettina Wegner durch ihre Lieder zu Staatsfeinden. Songs wie „We Shall Overcome“, „Wind of Change“, „You’ll Never Walk Alone“ wurden weltweit zu Identität stiftenden Hymnen. Menschen erheben ihre Stimme im Gesang, und sie wachsen dadurch auch über sich hinaus.
Wenn man mit anderen singt, wird man irgendwie etwas mutiger. Fühlt sich bestärkt und gehalten. Das hat erneut der Kirchentag in Hannover gezeigt. „Wenn sie es nicht singen, glauben sie es nicht“ sagt Luther. Deshalb sind die Lieder, die wir im Gottesdienst singen so wichtig. Diese Lieder führen allsonntäglich in das Wagnis hinein, das, was wir glauben, klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen: „Du meine Seele singe“, „Lobe den Herren“, „Verleih uns Frieden gnädiglich“, „Ein feste Burg ist unser Gott“, „Christ lag in Todes Banden“, „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir.“ All diese Lieder nehmen uns im Glauben mit.
Ein gesungenes Credo ist für mich viel persönlich-bedeutsamer und geht unter die Haut. Gemeinde wird so zu einem Klangkörper, in dem wir uns zu Hause fühlen können, getragen werden von den Schwingungen der Töne und dem dazu gehörigen Texten. Jeder Choral ist im Grunde ein „Mutmachlied“, eine Ermutigung im Glauben. Gottes Volk ist ein singendes Volk.
Jesus sagt, wenn wir schweigen, „werden die Steine schreien“ (Lk 19:40). Dies kann eine Andeutung auf die Zerstörung Jerusalems sein. Es sind zu oft die Steine der Ruinen die „zum Himmel schreien“, weil wir geschwiegen haben. Wo nichts mehr gesagt wird, wird Gott aus den tot geglaubten Steinen das Leben herausschreien lassen. Das Singen vor dem „Steinhaufen“ der Dresdner Frauenkirche wird für mich immer in Erinnerung bleiben: „Wie liegt die Stadt so wüst…wie liegen die Steine des Heiligtums auf allen Gassen zerstreut“. Der „Singsonntag“ Kantate ist ein guter Anlass sich zu erinnern, dass wir unsere Stimmen er-heben. Mit Gottvertrauen, mutig und beherzt: „Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen…“ (EG 362)
Thomas Lösche, Religionspädagoge
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