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Wortbrücke für den 5. November 2023, den 22. Sonntag nach Trinitatis
Wer der Gerechtigkeit und Güte nachjagt, der findet Leben, Gerechtigkeit und Ehre (Sprüche 21,21)
Der November ist da, der manchmal so graue Monat, der Monat des Übergangs, zwischen den goldenen Tagen des Oktobers und der wieder neubeginnenden Lichterwelt und Erwartungshoffnung des Advents. Kirchlich geprägte Texte empfehlen im November mit Blick auf seine Feier- und Gedenktage gerne Nachdenklichkeit und Reflexion, mit Allerheiligen, Allerseeelen und Totensonntag über Vergänglichkeit und Ewigkeit, Bangen und Hoffen, mit der Dekade um den Buß- und Bettag über Frieden und Gerechtigkeit, mit dem 9. November über Schicksalsmomente der deutschen Geschichte u.a. mit dem Schrecken der Reichspogromnacht von 1938, aber auch mit der Freude des Mauerfalls von 1989. Aber wie sollen wir momentan zur nachdenklichen Ruhe kommen, wie sollen wir die Gedanken auch über uns selbst, unser ganz eigenes Hoffen und Bangen ordnen, wenn die Nachrichten uns mehr als sonst und näher als sonst von Kriegen und Schrecken berichten, die uns näher gerückt sind, und das in einer Zeit, die uns in vielem inzwischen unsicher erscheint? Mehr als je erleben wir ein Gefühl der Erschöpfung nach den vielen Krisen, die wir unmittelbar erlebt haben.
Es hilft nichts, am Ende müssen wir uns, dosiert, immer wieder ein kleines Stück aus dem zu heiß laufenden Räderwerk des Alltags herausnehmen, denn nur mit Reflexionsbereitschaft für uns selbst können wir die Worte hören und lesen, die uns weiterbringen, trösten, unterstützen. Der Domprediger hier an unserer Kathedrale bringt es gerne auf den Satz: „Das Wort, dass dir hilft, kannst du dir nicht selbst zusprechen.“ Damit wir solche Worte empfangen können, müssen wir tatsächlich hinhören. Das kann auch das, was der christliche Glaube gerade für solche Lagen bietet, nach und nach Wirkung entfalten. Das ist nicht neu, sondern uralt und ur-menschlich. Dietrich Bonhoeffer schreibt in seinem berühmten Gedicht von den guten Mächten: „Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen, das Heil, für das du uns geschaffen hast.“ Heil heißt Rettung, heißt ganz werden, heißt in Gott aufgehoben sein, heißt auch resilient in der Welt werden.
Aber wir müssen hinhören auf solche Worte wie die genannten und wie auf den Losungsspruch oben. Gott lässt in vielem seine Stimme hören, wenn wir hören, hört er uns indes auch zu, selbst wenn wir unruhig hadern, klagen oder auch anklagen. Es ist menschlich und wird uns guttun, wenn wir uns solche Hörpausen geben, denn sie sind lebenswichtig. Vielleicht bei einem kurzen oder längeren Spaziergang, im Park – oder auf dem Friedhof, der ein Ort der Ruhe ist und vielfach ein Ort der bunten Farben des Herbstes, die uns froh berühren können und doch an den Lebenslauf erinnern. Dann werden wir auch in Schriften mit guten, helfenden Worten blättern und lesen können, und auf Menschen hören, die uns gut tun. Wenn dieses geschieht, dann können wir gewiss sein, dass der treue Gott, den die Christenmenschen gerade in Jesus Christus erkennen, seinen Segen dazugibt. Dieser Segen gilt ihnen, gilt allen, gilt uns allen, gerade jetzt!
Stephen Gerhard Stehli, Domgemeindekirchenratsvorsitzender
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