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Ernst Barlach „Demut“ 1916
 

Wortbrücke zum 11. Sonntag nach Trinitatis

„Mit dem Kult des messbaren Gewinns verschwindet jedoch der Respekt gegenüber dem Geheimnis des Seins und mit ihm auch die Demut gegenüber dem, was wir nie messen und erkennen werden.“
(Václav Havel)


Der Wochenspruch für die kommende Woche lautet: Gott stellt sich den Hochmütigen entgegen, aber den Demütigen gibt er seine Gnade. (1. Petr 5, 5) Demut kommt vom althochdeutschen „dimuoti“ und bedeutet „dienen“ – wörtlich: Läufer sein für jemanden. Im Lateinischen heißt die Demut „humilitas“. Darin stecken die Worte Humor und Bodenständigkeit, abgeleitet von Humus. Der demütige Mensch stellt sich also in den Dienst einer Sache und ist bereit, sich dafür einzusetzen. Er baut kein Idealbild von sich auf. Er weiß um den Humus, in dem er verwurzelt sein muss, um zu wachsen. Demut weiß also von den Abhängigkeiten des Menschen, vom Humus und von dem Geschenk von Gnade und Vergebung. Demut bewahrt so vor moralischer Überlegenheit.

Aus einer schweren Identitäts- und Lebenskrise heraus reist Barlach im Jahr 1906 nach Charkiw, Belgorod und Bachmut. Die Begegnungen mit den einfachen, schlichten Menschen dort, wird für Ihn zur Offenbarung, so schreibt er es selbst. Barlach geben diese Begegnungen einen völlig neuen künstlerisch stilprägenden Impuls. Fortan wird der Bettler sein Lieblingsmotiv. Zu seiner Trauerfeier 1938 wird ein Abguss einer Bettlerfigur im Atelier in Güstrow neben seinem offenen Sarg aufgestellt.

„Wir sind Bettler, das ist wahr“, sind die letzten schriftlich überlieferten Worte Martin Luthers. Niedergeschrieben einen Tag vor seinem Tod. Luther war sich bewusst, dass wir Christen „simul iustus et peccator“ (zugleich gerecht und sündig) sind. Dies stammt aus Luthers Römervorlesung aus dem Jahren 1514/15 zu Röm. 4,7. In einer Gesellschaft, in der die „Macher“ gefragt sind, ist Demut nicht unbedingt angesagt, obwohl wir angesichts der vielen aktuellen Krisen, allen Grund dazu hätten dem Leben in Demut zu begegnen.

Eine psychologische Studie der Universität Zürich kommt unter der etwas provokanten Überschrift „Warum Demut stärker ist als ein hoher Selbstwert“ zu dem Schluss: „Es lohnt sich somit bis zuletzt, Demut und Bescheidenheit als Charaktertugenden zu kultivieren“.

Thomas Lösche, Religionspädagoge