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Statuetta del Buon Pastore (1764), Musei Vaticani

 

Wortbrücke zum Sonntag Miserikordias Domini (23.04.2023)

Der zweite Sonntag nach Ostern heißt Misericordias Domini und steht in der evangelischen Kirche ganz unter dem Thema des guten Hirten. Die lateinische Bezeichnung Misericordias Domini stammt aus Psalm 89,2 und heißt auf Deutsch „Barmherzigkeit des Herrn“.

Das biblische Bild vom „guten Hirten“ hat es in sich, denn es sagt sogleich, dass es auch böse Hirten gibt. Und das Misstrauen gegen Fürsten, Könige und Herrscher, die Lämmer und Schafe nicht beschützen, sondern auf die Schlachtbank der Kriege führen, die die Herde als Dummköpfe und dumpfe Masse betrachten und meinen, Schafe seien nur für sie zum Schären und Schlachten da, erweist sich im Rückblick oft als richtig. Und wer will heute schon Schaf sein. Lieber laufen wir Wölfen im Schafspelz hinterher und bilden uns ein, wir wären freie und widerständige Geister. Keine leichten Zeiten für die Hirten, für das einander hüten.

Das Alte Testament spricht von Gott als dem idealen Hirten. Dieser Hirtengott muss zwar führen und leiten. Doch dies hat nichts mit Machtmissbrauch, sondern vor allem mit Verantwortung zu tun. Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, ist verantwortlich für das, was er geschaffen hat. Sein Tun ist deshalb lebensschützend und lebensförderlich, eben gut.

Die „Herde“, die von seiner Hand geführt wird, sind diejenigen, die zu ihm gehören. Sie blicken auf ihn und erfahren sich gleichzeitig selbst als Hirten, denn Er, der alles geschaffen hat, hat sie als sein Ebenbild für seine Schöpfung als Hirten eingesetzt. Somit ist die Herde, die von seiner Hand geführt wird, eine Herde von Hirtinnen und Hirten.
Im Sonntagspsalm 23 wird gleichsam aus der Optik eines behüteten Schafes die Gottesbeziehung des Beters meditiert. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“. Dieses Gottesbild schenkt dem Beter ein überwältigendes Grundgefühl der Geborgenheit. Der Hirte sorgt sich um die Menschen, er beschützt sie. Diese Beziehung schenkt gutes Leben.

Im Neuen Testament übernimmt Jesus Christus die Hirtenrolle Gottes. Lukas erzählt in seinem Evangelium von der Geburt Christi, dass die Engel den Hirten die frohe Botschaft verkündet haben. Die Hirten suchen und finden das Kind. Sie werden, erfüllt von der großen Freude, zu Verkündern der Neuigkeit. Sie werden durch die himmlische Erscheinung zwar erschüttert, aber nicht um den Verstand gebracht. Als das Ereignis vorüber ist, bleiben die Hirten, was sie sind. Ungläubig erst, später gläubig geworden kehren sie in ihr Leben zurück und sind nun in ihrer Lebenswelt Hirten für die Botschaft, die sie erfahren haben.

Alle, die Jesus Christus begegnen und in ihm den guten Hirten für ihr Leben erkennen, gehören zu seiner Herde. Und diese Herde ist entsprechend der alttestamentlichen Herde eine Herde von Hirtinnen und Hirten, die darauf achten, dass keine und keiner verloren geht und dass wir aufeinander liebevoll mit Hingabe achten. Christen und Christinnen sind aufgrund ihrer Taufe zu diesem Dienst berufen. Allen Berufenen hat Gott besondere Gaben (Charismen) verliehen, die es ihnen ermöglichen, ihre Aufgaben und ihre Sendung als Hirte und Hirtin in Kirche und Welt zu erfüllen. Als Hirtin und Hirte in der Nachfolge Jesu zu leben, ist heute unsere Sendung und unser Auftrag. Und da gibt es wahrhaftig viel zu tun!

Ihr Friedrich Kramer, Erster Domprediger und Landesbischof