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DER HÖRENDE,
TONI ZENZ, ESSEN


 

Wortbrücke zum Sonntag Sexagesimæ, 12. Februar 2023

„Siebzig, sechzig, fünfzig … bis zum großen Ziel!“

Septuagesimæ, Sexagesimæ, früher auch Quinquagesimæ – im Kirchenkalender hören wir momentan merkwürdige Vokabeln, die nach Zahlen klingen. Und genau das sind sie: der Kalender zählt die Wochen und Tage ab Ostern, immer so ungefähr. Noch siebzig Tage, noch sechzig Tage, noch fünfzig Tage …. und dann geht es mit der Passionszeit los: noch sieben Wochen, noch sechs Wochen, noch fünf Wochen. Wenn man möchte und sich darauf einlässt, ist da ein großer, kräftiger Spannungsbogen drin – und Ostern ist das große Ziel. Der Aufbau ist voller Dramaturgie und Dramatik, wie in einer spannungsreichen Erzählung. Das ist gut, denn die Kerngeschichte des Christseins kann immer nur weitererzählt werden, weitergelesen werden, bis hin zum Geschenk des Glaubens. Denn der Glaube selbst kann nicht „gemacht“ werden. Aber er kann gut und ansprechend vorbereitet werden, und das wussten schon die Evangelisten und die frühen Christen.

Siebzig Tage, sechzig Tage, fünfzig Tage – fast wie das Warten auf Weihnachten, und doch ist es mehr. Es geht nicht um die schönen Geschenke für die Kinder, es geht um das große Geschenk eines befreiten Lebens, im Hier und Jetzt wie im Einst und Dort, für alle, für uns, für Dich und mich. Eine doppelte Gewinnchance! Aber zunächst einmal müssen wir hinhören, offen dafür, dass wir Überraschendes hören. Predigten vom Berg und Geschichten vom heil werden. Der Spruch für diesen Sonntag fordert uns zu unvoreingenommenem Hören auf: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.“ Die alten Worte aus dem Hebräerbrief sind nichts anderes als eine Aufforderung zum aktiven Hinhören aus. Alles andere wird sich dann zeigen, erleben lassen. Die Geschichte vom weg nach Jerusalem, von großen Gedanken und berührenden Gesten, von Verleugnung und gar Verrat, von einem endgültigen Ende – das dann doch keines ist, sondern als Geschichte Gottes mit seinen Menschen immer weitergeht, als Weg Jesu mit mir, wenn ich denn will. Siebzig, sechzig, fünfzig, sieben, sechs, fünf …: zählen sie mit, hören sie mit, erleben sie mit, bis hin zum großen Ziel, das bleibt. Es ist noch Zeit!

Stephen Gerhard Stehli, Domgemeindekirchenratsvorsitzender