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Albrecht Dürer:
Betende Hände
(auch: Studie zu den Händen
eines Apostels), 1508,
Albertina, Wien (gemeinfrei).
Tusche und Weißhöhung
auf blauem Papier.


 

Wortbrücke zum 3. Sonntag vor der Passionszeit Septuagesimæ (05.02.2023)

„Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ (Daniel 9,18b)

Nach fast siebzig Jahren seines Dienstes im babylonischen Exil und im Alter von fast 90 Jahren entdeckt Daniel in seiner „Stillen Zeit“ eine bedeutende und verheißungsvolle Passage in der Bibel. Er liest im Buch des Propheten Jeremia, „dass nämlich Jerusalem siebzig Jahre wüst liegen sollte“ (Dan 9,2), bevor Gott sein Volk aus der Macht Babylons befreien und zurück nach Hause nach Israel bringen sollte (vgl. Jer 25,11-12; 29,10). Daniel erkennt, dass die Gefangenschaft nun bald vorbei sein muss. Nur sieht man noch nichts davon.
Erschüttert beginnt Daniel mit der Bibel in der Hand für ihre Erfüllung und für sein Volk zu beten.

Der Bibelvers ist der aktuelle Wochenspruch und Teil von Daniels leidenschaftlichem (Buß-) Gebet, auf das Gott in atemberaubender Weise reagiert. Grund genug, um dem Geheimnis seines „erfolgreichen“ Betens auf die Spur zu kommen. Wir können davon viel für unser Gebetsleben lernen:

Beterinnen und Beter lassen sich von der Bibel inspirieren. Daniel ist alt geworden und hat viel in der Bibel gelesen. Doch er liest und studiert das Wort Gottes immer noch. Obwohl er als Spitzenpolitiker eine zeitraubende und verantwortungsvolle Aufgabe zu erfüllen hat, nimmt er sich Zeit zum persönlichen Bibelstudium. Nichts kann uns stärker zum Gebet ermutigen als die Bibel selbst (z.B. die Psalmen).

Beterinnen und Beter beten auf Verheißung hin. Daniel betet nicht schwärmerisch ins Blaue hinein. Sein Gebet ist fest auf die Bibel gegründet (vgl. Jer 25,11-12). Er nimmt die Bibel als Gottes Wort ernst und ordnet ihre prophetischen Aussagen heilsgeschichtlich richtig ein. Er erkennt die „Zeichen der Zeit“ und versteht es, die Bedeutung des prophetischen Wortes auf seine Zeit zu übertragen.

Beterinnen und Beter sind demütige Menschen. Das Fasten in Sack und Asche ist ein Zeichen für die tiefe Demütigung Daniels vor Gott (vgl. auch Jak 4,10; 1Petr 5,6). Er beugt sich vor dem „großen und Furcht erregenden Gott“. Auch wenn Gott in Christus unser Vater (Röm 8,15) geworden ist, so bleibt doch Gottes alles überragende Heiligkeit bestehen.

Beterinnen und Beter erinnern sich an Gottes große Taten. Daniel erinnert Gott daran, wie wunderbar er sein Volk aus der Knechtschaft in Ägypten geführt hat. Wir dürfen uns daran erinnern, dass Jesus uns aus der Knechtschaft der Sünde herausgeführt und nach Hause in sein Reich gebracht hat. Wir lassen uns „durch die Taten des Herrn und seine früheren Wunder“ (Ps 77,12) ermutigen und erkennen staunend, dass dieser Gott heute noch der Gleiche ist.

Ach so: Sie fragen sich, wie Gott auf Daniels Gebet reagiert hat? Das führt hier zu weit. Aber Sie können es nachlesen im 9. Kapitel des Danielbuches.

Ihr Friedrich Kramer, Erster Domprediger und Landesbischof