
(Feld von Culloden bei Inverness, Schottland, Ort der letzten Schlacht im schottischen Unabhängigkeitsaufstand am 16. April 1746)
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Wortbrücke der Domgemeinde zum 13. Juli 2025 – 4. Sonntag nach Trinitatis
Herr, von Herzen verlangt mich nach dir des Nachts, ja, mit meinem Geist suche ich am Morgen (Jesaja 26, 9)
Herzliche Grüße in die hohe, volle Urlaubszeit hinein. Vielleicht sind Sie in den Magdeburger Dom auf einer anregenden Kulturreise gekommen, und nun staunen Sie über seine Schönheit, seine Kunstwerke – und möglicherweise auch über den Dom als lebendiges Glaubenszeugnis. Oder Sie lesen als Gemeindemitglied diese Wortbrücke als Gruß aus der Kathedrale, und sind vielleicht ebenso angeregt, einmal in Ruhe zum Nachdenken zu kommen, über Leben, Ziele, Freude und Leid – und möglicherweise über Gott.
Momentan bin ich mit Freunden im Nordwesten Schottlands auf einer Rundreise. Die spektakuläre Landschaft, dramatisch und wild und dann doch dazwischen durch den Menschen kultiviert, beeindruckt mich, den Stadtmenschen, immer wieder sehr und berührt mich im Herzen. Sie lässt sehr viel Ursprünglichkeit spüren, und die Gedanken können gerade hier auch zu Höherem schweifen, morgens vor dem Frühstück oder auch am Abend, ähnlich wie es der Prophet Jesaja im Losungstext oben zu diesem Sonntag beschreibt.
Auf solchen Reisen steht man interessiert und beeindruckt in Gebäuden und in Landschaften, und dann steht man wie ich auf einem Feld, vom Wind überweht, in Sonne und Wolken und lernt: hier fielen in der Mitte des 18. Jahrhunderts innerhalb einer Stunde Tausende von Soldaten im seinerzeitigen Kampf und Aufstand um Unabhängigkeit. Und schon geht man stiller über ein Feld, das ein Friedhof ist. Auch der schöne Magdeburger Dom stand zweimal in seiner Geschichte in der Mitte von Tod und Verzweiflung, 1631 und 1945. Krieg und große Gewalt sind immer wieder in der Geschichte der Menschen zu finden, auch in der schönsten Natur, auch im prächtigsten Bauwerk. Und dann schauen wir uns um, in der Natur, im Bauwerk, und freuen uns wieder daran, trotz alledem, weil wir von Weite und Fülle und Anmut, die echt sind, berührt werden.
Wie können wir mit diesem Zwiespalt, der das ganze menschliche Leben prägt, zurechtkommen, wie ordnen wir ihn für uns ein, auch in einer Welt, die an so vielen Fugen auseinanderzubrechen scheint und droht? Ein Weg, den Menschen seit Jahrtausenden gehen, ist der Weg zu und mit Gott. Gott, der als ein Gegenüber erfahren wird, kann so Vieles aus unserem Leben aufnehmen, annehmen, reflektieren: Dank, Bitte, Klage, gar Anklage, und dann doch wieder Vertrauen. Gott kann uns helfen, dass wir die Welt und unser Leben mit allen Facetten annehmen und gestalten, nicht weil wir das Böse und Schreckliche einfach resigniert oder verzweifelt hinnehmen, sondern weil er unsere Möglichkeiten öffnen kann, im Kleinen wie im Großen im Sinne von Liebe, Gemeinschaft, Zusammenhalt, Solidarität, Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfungsbewahrung zu wirken. Es ist der Weg, den Jesus voranging und -geht. Vielleicht finden wir uns in den offenen Stunden des Sommerurlaubs oder der Sommerabende im Garten auch dazu. Zulassen müssen wir es freilich selbst, aber wenn wir es tun, wird es uns gut tun, weil Gott uns Gutes tun will. – Einen schönen, erholsamen und auch nachdenklichen Sommer allen!
Stephen Gerhard Stehli, Domgemeindekirchenratsvorsitzender zu Magdeburg
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