Carl Bloch, Verklärung Christi (1872) [gemeinfrei]
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Wortbrücke zum Letzten Sonntag nach Epiphanias [Verklärung Christi] (28.01.2024)
Am Letzten Sonntag nach Epiphanias wird bei uns Evangelischen der Textabschnitt aus dem
Matthäusevangelium, der von der „Verklärung Christi“ handelt, gelesen. Wir haben zwar
keinen eigenen Gedenktag, aber den Text, der uns erinnert. Und wäre es nicht wunderbar,
wenn wir erleben könnten, was wir da lesen: mit Jesus, Mose und Elia auf einem hohen Berg
zu sein und mit ihnen reden zu können? Jesus das fragen zu dürfen, was wir schon immer
wissen wollten.
Kein Wunder, dass Petrus hier Wurzel schlagen möchte: mindestens drei Hütten will er bauen,
eine für Jesus, eine für Mose und eine für den Propheten Elia – und vermutlich auch eine für
sich selbst und die anderen Jünger, denn er möchte ja gerade auch dort sein und bleiben, wo
Jesus und die großen Zeugen des Bundes Gottes mit Israel sind. „Herr, hier ist gut sein“, sagt
er. Und während er so redet, bestätigt Gott, was Petrus spürte: aus einer aufziehenden Wolke
ertönen die Worte: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem habe ich Wohlgefallen, den sollt ihr
hören.“ Und eben diese Worte sprechen ja genau das aus, was Petrus spürt: dass Gott selbst
an diesem Ort gegenwärtig war. Und er und die anderen Jünger erschrecken angesichts
dieser Erkenntnis, aber Jesus tröstet sie und spricht: Fürchtet euch nicht! Und dann ist diese
Sternstunde schon vorbei. „Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemanden als Jesus
allein.“ Anschließend gehen sie wieder hinunter von diesem Berg der Erkenntnis mit Jesus,
dem Wanderprediger, dem sie folgen. Und alles ist wie immer: Keine göttliche Stimme, keine
leuchtenden Kleider, keine Propheten. Das Bergerlebnis ist zu Ende, der Alltag ist wieder da.
Ich hoffe, Sie kennen auch solche Bergerlebnisse des Glaubens: Situationen im Leben, in
denen Sie sich Gott ganz nahe gefühlt haben, Situationen, in denen Sie sich ihres Glaubens
ganz gewiss waren. Sie können sich in einem Gottesdienst ereignet haben, im Hören einer
Predigt, im Singen einer Liedstrophe oder in einer besonderen Begegnung. Manche fühlen
sich auch in der Stille und Ursprünglichkeit der Natur Gott besonders nah, und für wieder
andere sind die Treffen mit vielen anderen Christinnen und Christen und die dabei
empfundene Gemeinschaft im Glauben solche Bergerlebnisse.
Schneller als uns lieb ist, hat uns dann zwar der Alltag wieder eingeholt, vom Berg
hinuntergeholt sozusagen und in alle Winde zerstreut. Doch die Erinnerung an solche
Bergerlebnisse bleibt. Sie blieb den Jüngern damals, sie bleibt uns, und sie ist der Kirche
geblieben, bis heute. Wir können und dürfen von unseren Erlebnissen zehren. Petrus und die
anderen Jünger mussten zwar zurück ins Tal, aber sie waren nicht allein, sondern Jesus ging
mit ihnen mit. Er blieb an ihrer Seite, ohne Wolke, ohne weiße Kleider, weniger als Gott
erkennbar, aber er war da. Und das will er auch für uns sein. Das möge Sie trösten und Ihnen
Hoffnung schenken.
Einen gesegneten Übergang in die Passionszeit wünscht Ihnen Ihr Friedrich Kramer, Erster
Domprediger und Landesbischof
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