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Wortbrücke 25. XII.2022

„Dies ist der Tag, da uns erschienen des großen Gottes Freundlichkeit!“

Am Samstag, zu Heiligabend, haben wir das letzte Türchen am Adventskalender aufgemacht. Nun blicken uns vierundzwanzig offene Flächen entgegen, vierundzwanzig leere Flächen, vierundzwanzig leere Beutel. Das Bild auf dem Kalender ist gar nicht mehr zu erkennen. Er hat ausgedient. Hat er uns Freude gemacht, mit seinen Schokoladenstückchen, seinen Bildern, seinen kleinen Geschenken? Verband er sich mit den Gedanken lieber Menschen? Oder haben wir achtlos ihn Tag für Tag einfach zur Kenntnis genommen, haben gar die Spannung, die der Kalender brachte, nicht gespürt, haben die Türchen manchmal sogar vergessen?
Auch ein Adventskalender ist ein Kalender, mit seinen Bildern zeigt er uns die fortschreitende Zeit zu einem Ziel hin. Das Ziel ist Weihnachten, der Heilige Abend, das Christfest. Und jetzt ist das Ziel da, der Weihnachtsabend, das Familientreffen, die Geschenke. Ist der Zauber von Weihnachten noch da? Erleben wir die Botschaft noch, die diesen Tag und das ganze Fest trägt? Diese Geschichte aus diesem Bethlehem? Oder ist da eben nichts mehr, ist Weihnachten bereits für unsere Leben so funktionslos wie der leere Adventskalender.

Advent ist Erwartung, aber heißt nicht „Erwartung“. Advent heißt Ankunft. Der ganze Advent weist auf die Ankunft Gottes in dieser Welt hin, in der er immer war, trotz alledem, und in die er immer wieder kommt, trotz alledem. Die Ankunft des großen Friedensfürsten als kleines Kind in der Krippe zu Bethlehem, klein, unbedeutend, verletzlich, anrührend – anfassend. Mit Weihnachten macht Gott in der Welt den großen Widerspruch der Botschaft der Liebe, der Hoffnung und des Vertrauens deutlich gegen die Zwangsläufigkeit der Welt, gegen die angeblichen Regeln von Macht und Gewalt. Dieser Gott geht auch nicht mehr weg, aber seine Friedensbotschaft gibt er in unsere Hand. Seit 2000 Jahren ist sie nicht überholt, sie bringt Menschen – erstaunlich, aber ganz real – immer wieder Kraft und Lebensmut, immer wieder neu. Das sind nicht fromme Sprüche, sondern ist wahrhaftige, begründete Hoffnung – und ehrliches, von Vertrauen getragenes Handeln – am Festtag wie im Alltag.

Eigentlich müsste an den Adventskalender ein Weihnachtskalender sich anschließen, da Weihnachten weitergeht, über Neujahr und Epiphanias mit den Heiligen Drei Königen bis … ja, bis zu jedem Tag in unserm Leben. Mit dem großen Gott, der mit seiner Freundlichkeit uns erschienen ist, können wir Tag für Tag in unserm Leben immer neue Türchen, Türen, Tore und Pforten öffnen. Und mit seiner treuen Hilfe werden wir wie die Hirten im Stall immer wieder neu stauen!

Frohe und Gesegnete Weihnachten aus der Evangelischen Domgemeinde!

Stephen Gerhard Stehli, Domgemeindekirchenratsvorsitzender