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Dom zu Magdeburg | Landesbischof Friedrich Kramer
Wortbrücke in der Friedensdekade (10.11.2024)
Die Ökumenische Friedensdekade, die heute beginnt und am Buß- und Bettag in zehn Tagen endet, steht in diesem Jahr unter der Überschrift „Erzähl mir vom Frieden“. Das ist ein sehr gutes Motto. Scheint in unserer unfriedlichen Welt doch dies die einzig realistische Möglichkeit zu sein, Frieden wieder ins Gespräch zu bringen: dass wir uns erzählen von gelungenen Beispielen gewaltfreier Konfliktlösung, von Versöhnung und Schritten auf dem Weg des Friedens und nicht verharren im Unfrieden, im Unrecht, in Kriegsrhetorik und in der Angst vor der Zukunft. Ermutigen will die Friedensdekade uns Entmutigte. Aufwecken will sie uns Ermattete. Das können wir wohl alle gut gebrauchen.
Wir sind auf Geschichten jenseits von Gewalt, Kriegen und Krisen angewiesen, die uns Mut machen. Viele solcher Hoffnungsgeschichten finden wir in der Bibel, finden wir mitten in dieser Welt heute. Sie geben unseren Glaubensgeschwistern weltweit die Kraft für ihr gewaltfreies Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Frieden auf Erden und Schwerter zu Pflugscharen sind die biblischen Verheißungen, von denen her wir heute leben. Jesus sagt: „Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Matthäus 5,9). Und wenig später: Liebet Eure Feinde!
Das ist und bleibt der großartige Friedensruf, an dem wir uns ausrichten dürfen
Aber wenn es dann um die konkreten Fragen geht, zum Beispiel die Waffenlieferungen durch Deutschland, sind viele von uns zerrissen. Da ist Jesu Ruf zur Gewaltlosigkeit und zur Feindesliebe, aber da ist auch deutlich das Gefühl, dass wir die Ukraine nicht allein lassen dürfen. Während die einen meinen, dass wir den Ukrainern Hilfe zur Selbstverteidigung auch mit Waffen leisten dürfen, ja müssen, sagen die anderen, zu denen ich gehöre, dass sich mit Waffengewalt kein Frieden herstellen lässt, sondern der Krieg nur länger und brutaler wird. Wir stehen in der Evangelischen Kirche in Deutschland gerade in einem Prozess, die evangelische Friedensethik vor dem Hintergrund der aktuellen Kriege und Herausforderungen grundlegend zu bedenken. Der gerechte Friede bleibt das Leitbild der evangelischen Friedensethik hier in Deutschland und weltweit in der Ökumene. Wir haben Jahrzehnte gebraucht, um uns von der Idee des gerechten Krieges zu verabschieden und zu sagen: Wenn Du Frieden willst, musst Du Frieden vorbereiten.
Wir Christen stehen, nicht nur in diesem Krieg, vor einem Dilemma. Auf der einen Seite steht der Schutz des Nächsten und die Solidarität mit den Opfern, die christlich geboten sind; auf der anderen Seite der Ruf Jesu zu Gewaltlosigkeit und Feindesliebe und die Aufforderung, Böses nicht mit Bösem zu vergelten. Wir kommen nicht schuldlos aus diesen Widersprüchen heraus, weil der Krieg selbst das Böse ist. Es gibt keinen gerechten Krieg.
Und die drängende Frage ist, wie wir aus dem ungerechten Krieg in einen gerechten Frieden kommen können. Bald. Ein Weg ist, vom Frieden zu erzählen und für den Frieden zu beten – in der Friedensdekade.
Betet mit mir für den Frieden: für die Verantwortlichen auf allen Seiten, dass sie Wege aus der Eskalation finden, für die Menschen in der Ukraine, in Belarus und Russland, in Israel, in Gaza und im Libanon, für alle, die von Krieg, Leid und Tod bedroht sind, und auch für die Feinde, damit sie die Sinnlosigkeit von Krieg und Gewalt erkennen.
Wir rufen zu Gott: “Verleih uns Frieden gnädiglich, HERR Gott, zu unsern Zeiten, es ist ja doch kein anderer nicht, der für uns könnte streiten, denn DU, unser Gott, alleine.”
Einen gesegneten Sonntag und eine ermutigende Friedensdekade wünscht Ihnen,
Ihr Friedrich Kramer, Erster Domprediger und Landesbischof
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